Eine Philosophie des langsamen und lebendigen Buches
Teresa Petrovitz, sortimenterbrief, im Gespräch mit Magda Hassan, Verlagsleitung Edition 5Haus.
Frau Hassan, Sie haben die Leitung des jungen Wiener Verlags Edition 5Haus inne, der immer wieder mit seinen innovativen und zukunftsorientierten Konzepten im Bereich Kinderbuch auffällt. Wo liegen Ihrer Meinung nach die großen Herausforderungen der Zukunft im Verlagsbereich und was beschäftigt Sie in diesem Sinne zurzeit?
Hassan: Das, worauf wir uns derzeit im Verlag stark konzentrieren und was ich auch generell als wichtiges Konzept der Zukunft erachte, ist das der sogenannten Slow Books. Diesen Begriff habe ich in Hamburg aufgeschnappt. Was dahintersteckt, gefällt mir irrsinnig gut. Ausgangspunkt sind viele Dynamiken, die wir alle kennen. Wie wir wissen, sind wir mittlerweile mit einer regelrechten Flut von Buchveröffentlichungen konfrontiert. Pro Jahr werden Tausende Titel publiziert, und dabei stellt sich die Frage: Wer soll das alles lesen? Hinzu kommt die Problematik, dass aufgrund dieser Fülle das Potenzial einzelner Bücher nicht mehr vollständig ausgeschöpft werden kann. Abgesehen davon wird uns durch die Weltlage, von der Corona-Krise bis hin zum Krieg in der Ukraine, schmerzlich bewusst, dass unsere Ressourcen endlich sind und zu Neige gehen.
Damit spielen Sie wahrscheinlich auch auf die horrenden Papierpreise an.
Hassan: Das Thema Papierressourcen und Papierpreise steht in dieser Hinsicht an oberster Stelle. Gleichzeitig nehme ich wahr, zumal ich in mehreren Bereichen der Buchbranche tätig bin – ich bin außerdem Buchhändlerin und Autorin –, dass am Ende bei allen einzelnen Gliedern der Produktionskette Buch zu wenig übrig bleibt. Jeder Baustein sagt: Es ist zu wenig. Als Verlag bringt uns das zum Gedanken: Wenn das System Buch, so wie es jetzt ist, mit dem aktuellen Buchpreis, der für die Kund:innen womöglich auch noch zu teuer ist, nicht funktioniert, dann gilt es, umzudenken.
Und hier kommt das Konzept des Slow Books ins Spiel?
Hassan: All diese Dynamiken machen das Konzept des Slow Books für mich zu einem wegweisenden Gedanken: Unser Anliegen ist es, wenige Bücher zu machen, diese in ihren Möglichkeiten aber voll auszuschöpfen. Unsere Leitfrage ist: Wie können wir aus dem einzelnen Buch mehr und damit so viel herausholen, dass alle Beteiligten zufrieden sind. Ich denke, dass wir in der Verlagsbranche tatsächlich zu sehr im Wirtschaftlichkeits- und Kommerzdenken gefangen sind. Denkweisen wie „Mehr ist mehr“ oder „Je mehr Bücher, desto besser“ sind immer noch maßgebend. Es ist in den Verlagen zudem eine Art Unsicherheit zu spüren, wer in der Branche zukünftig welche Aufgaben übernimmt. Nicht selten ist die Social-Media-Aktivität einer Künstler:in für die Publikation in einem Verlag ausschlaggebend, weil so dieser Bereich von vornherein abgedeckt ist. Das ist zwar insofern ein verständlicher Gedanke, als es einerseits auch hier um ein Miteinander geht und es andererseits den Verlagen im derzeitigen System oftmals schlicht an den notwendigen Ressourcen fehlt. Ich finde allerdings trotzdem, dass es weiterhin die Hauptaufgabe eines Verlages sein sollte, dem Protagonisten Buch und den Künstler:innen eine Bühne zu bieten.
Dies tun Sie in der Edition 5Haus auf sehr innovativem Weg, indem Sie einen multimedialen Zugang verfolgen.
Hassan: Mit jedem Buch, das bei uns erscheint, sind in unserem Verlag vielfältige Prozesse verbunden, die sich allein damit beschäftigen, wie wir es am besten in die Welt bringen können. Neben klassischen Lesungen, die sich in der Buchbranche ohnehin etabliert haben, arbeiten wir heute mit neuen Strategien. Dahinter steht auch der Gedanke, dass alle jene, die noch keinen Zugang zum Buch gefunden haben, einen finden können. Unser Portfolio reicht von Lesekonzerten über Workshops bis hin zu Rätselrallyes und virtuellen Welten.